Swiss Graphic Design and Typography Revisited
«Swiss Graphic Design and Typography Revisited», an dem 16 Forschende von sieben Schweizer Hochschulen über eine Laufzeit von vier Jahren (2016 bis 2020) beteiligt waren, war das grösste akademische Forschungsprojekt im Bereich Design, das je vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt wurde.
Projekt
In der Geschichte des Grafikdesigns bezeichnen die Begriffe «Schweizer Grafikdesign», «Schweizer Typografie» oder «Swiss Style» üblicherweise einen internationalen Stil, der auf eine Vielzahl von Medien wie Plakate, Bücher, Corporate Identities und Leitsysteme angewendet werden kann. Dieser Stil entstand in den 1950er Jahren in der Schweiz, wurde von Grafikdesigner*innen in der Schweiz und vielen anderen westlichen Ländern verwendet und erlangte weltweit einen hervorragenden Ruf. «Schweizer Grafikdesign und Typografie» wurde jedoch nicht nur zur Definition eines bestimmten, spezifischen Stils verwendet, sondern auch in vielen Variationen, um Grafikdesign aus der Schweiz im Allgemeinen oder von Schweizer Grafikdesigner*innen erstelltes Design zu beschreiben. Diese definitorische Unschärfe hat zum Erfolg des Begriffs beigetragen.
Aus dieser Perspektive wird deutlich, dass die Definition «Schweizer Grafikdesign und Typografie» noch zu keinem Ende gekommen ist. Sie wird weiterhin in Klassenzimmern, Ateliers, Ausstellungsräumen und Publikationen verhandelt. Zudem wird das Label als eines der führenden Produkte der Schweiz bezeichnet. Es oszilliert also zwischen einer geschlossenen Mythologie und einer Geschichte, die noch im Entstehen begriffen ist.
Das Projekt «Swiss Graphic Design and Typography Revisited» betrachtete daher «Schweizer Grafikdesign und Typografie» nicht als monolithisches Label oder Stil, sondern als vielschichtiges Konstrukt innerhalb eines internationalen Diskurses.
Dem trugen die in gemischten Gruppen zusammenarbeitenden schweizerischen und ausländischen Forschenden der Fachhochschulen Basel, Bern, Genf, Lausanne, Lugano und Zürich sowie der Universität Bern, koordiniert durch die Hochschule der Künste Bern, Rechnung.
Mithilfe von Methoden, die auf aktuellen Ansätzen der Geschichts- und Kulturwissenschaften beruhen, erkundeten die Forschenden Archive, analysierten Text-, Bild- und Designquellen wie Lehrpläne, Publikationen und Selbstzeugnisse und befragten Schlüsselfiguren im besagten Bereich. Auf diese Weise waren sie in der Lage, bestehende Narrative zu hinterfragen und bisher übersehene Netzwerke, Praktiken und Medien zu identifizieren.
Teilprojekte
Das Projekt fokussierte auf «Schweizer Grafikdesign und Typografie» und dessen fortwährende Legitimität, Reputation und Status in den drei Teilprojekten «Principles of Education», «Networks of Practice» und «Strategies of Dissemination», die auf einer vereinfachten Karriereweg professioneller Designer*innen basieren. Die neun Fallstudien ermöglichten es dem Forschungsteam, die Landschaft von Schweizer Grafikdesign und Typografie zu erkunden und unbeachtete Szenen zu beleuchten.
Das Teilprojekt «Principles of Education» befasste sich mit der Ausbildung von Grafikdesigner*innen in der Schweiz, indem es Lehrpläne, Lehrmittel und Resultate, Literatur von und über Lehrpersonen und Lehrmethoden sowie Interviews analysierte.
Anstatt einzelne Designer*innen herauszuheben, analysierte das Teilprojekt «Networks of Practice» Grafikdesign als eine soziale Praxis, die von Netzwerken von Menschen, Institutionen, Verbänden, Objekten und Ideen hervorgebracht wird, wobei der Schwerpunkt auf ihrer Migration über nationale und sprachliche Grenzen hinweg lag.
Das Teilprojekt «Strategies of Dissemination» befasste sich mit den textlichen Inhalten von Fachzeitschriften, Geschichtsbüchern und Ausstellungen sowie mit deren struktureller und visueller Gestaltung als Instrumente der Geschichtsschreibung und gleichzeitig als vorherrschende Formen für die Produktion und Verbreitung von «Schweizer Grafikdesign und Typografie» selbst.
Resultate
Das Ergebnis von «Swiss Graphic Design and Typography Revisited» ist ein kritischer Beitrag zum Verständnis der Entstehung und des heutigen Selbstverständnisses von Schweizer Grafikdesign und Typografie. Darüber hinaus trug das Projekt zur Konsolidierung der Designgeschichte als Forschungs- und Praxisfeld in der Schweiz bei. Es lieferte neue, relevante Erkenntnisse für den internationalen wissenschaftlichen Diskurs zur visuellen Kommunikation.
Das Forschungsteam erarbeitete verschiedene kleine Erzählungen, die zusammen eine vollständigere und flexiblere Interpretation des Themas bieten als der bestehende Kanon des Schweizer Grafikdesigns. Diese werden in der Publikation «Swiss Graphic Design Histories» (Scheidegger & Spiess) veröffentlicht, die am 1. Juli 2021 erschienen ist. Sie ist vollständig open access auf der Website von Scheidegger & Spiess und als hochwertige Druckausgabe in vier Bänden in einem Schuber gestaltet von Simone Farner und Naima Schalcher erhältlich.
Darüber hinaus wurde im Januar 2021 die Sonderausgabe «New Perspectives on Swiss Graphic Design» der renommierten Zeitschrift «Design Issues» (MIT Press) veröffentlicht und ist auf der Website der Zeitschrift zugänglich. Sie enthält eine Einleitung der Gastherausgeber und fünf Essays, die auf den Ergebnissen von «Swiss Graphic Design and Typography Revisited» aufbauen und sich auf die historiografischen und methodologischen Herausforderungen der Forschung konzentrieren.
Die Aktivitäten der Teammitglieder sind mit diesen Veröffentlichungen nicht abgeschlossen. Weitere Einzelergebnisse aus dem Projekt werden von den Doktorandinnen und Doktoranden im Rahmen ihrer Dissertationen eigenständig diskutiert und veröffentlicht.
Relevanz
Besondere Relevanz erlangte dieses Projekt dadurch, dass «Schweizer Grafikdesign und Typografie» als eine von acht Schweizer Kandidaturen für das Immaterielle Kulturerbe der UNESCO im Jahr 2014 nominiert wurde.
Die Bedeutung dieses Projekts geht jedoch über die disziplinären Grenzen hinaus. Es ist eines der ersten Kooperationsprojekte, an dem fast alle schweizerischen Hochschschulen für Kunst und Design beteiligt waren. Dieser kollaborative Ansatz war besonders wichtig, um den Wissenstransfer von der Forschung in die Lehre zu gewährleisten. Er trug dazu bei, eine gemeinsame Perspektive durch gemeinsame Forschung zu fördern. Dieses Experiment kann insofern als Erfolg gewertet werden, als es die institutionellen Unterschiede nicht nivellierte, sondern Personen aus verschiedenen Schulen – sowohl Institutionen als auch Lehrmeinungen – in einen gemeinsamen Dialog brachte.
Beteiligte Hochschulen
Beteiligte Personen
Gesuchssteller:
Prof. Dr. Arne Scheuermann (Leitung Gesamtprojekt)
Prof. Michael Renner (Leitung Teilprojekt A)
Prof. Dr. Sarah Owens (Leitung Teilprojekt B)
Prof. Dr. Peter J. Schneemann (Leitung Teilprojekt C)
Koordinatoren und Forschende:
Prof. Dr. Davide Fornari
Prof. Robert Lzicar
Forschende:
Dr. Chiara Barbieri
Prof. Rudolf Barmettler
Roland Früh
Jonas Niedermann
Doktorierende:
Jonas Berthod
Sandra Bischler
Constance Delamadeleine
Ueli Kaufmann
Sarah Klein
Sara Zeller
Organigramm
Partner
- Aiap – Associazione italiana design della comunicazione visiva
- Bundesamt für Kulur BAK
- Graphis
- Museum für Gestaltung – Schaudepot
- Schweizerische Nationalbibliothek NB
- ZHdK – Zurich University of the Arts – Medien und Informationszentrum MIZ, Archiv ZHdK
- SGD Swiss Graphic Designers
- Swiss Graphic Design Foundation
Finanzierung
Das Projekt wurde unterstützt durch: